Ziel der landwirtschaftlichen Rekultivierung ist es, landwirtschaftliche Standorte herzustellen, die hinsichtlich der Ertragserwartung mit den im Tagebauvorfeld liegenden Parabraunerden vergleichbar sind. Die Böden der Niederrheinischen Bucht zählen zu den ertragreichsten und besten Standorten weltweit. Aus dieser hohen Ertragsfähigkeit der Altlandböden leitet sich eine hohe Verantwortung für den Herstellungsprozess der sogenannten Neulandböden ab. Die bei den gewachsenen Standorten über mehrere Jahrtausende laufenden Bodenbildungsprozesse müssen bei der Rekultivierung durch andere Maßnahmen ersetzt werden.
Hochwertige Lössvorkommen als Grundlage
Eine weitere Herausforderung ist die Bereitstellung des Materials zur Bodenrekultivierung. Studien zur Eignung der Abraumsubstrate haben ergeben, dass nur die hochwertigen Lössvorkommen der Region Grundlage für die landwirtschaftliche Rekultivierung sein können. Diese müssen daher beim Abgraben der Kohle sorgsam von den restlichen Abraummaterialien getrennt werden. Wegen seiner hohen Schluffanteile von 70 bis 80 % kann dieser Boden sehr viel Wasser speichern. So können landwirtschaftliche Kulturen beispielsweise auch sehr niederschlagsarme Sommer ohne nennenswerte Ertragseinbußen überstehen.
In der Regel wird Material, das auf der einen Seite des Tagebaus gewonnen wird, direkt auf der anderen Seite mit dem Absetzer aufgebracht. Gelegentlich wird der Löss jedoch auch zwischen den Tagebauen transportiert oder für längere Zeit zwischengelagert.
Eine wichtige Rolle für die Funktionalität der Standorte spielt auch die sogenannte Rohkippe. Diese unter dem aufgekippten Löss liegende Schicht muss aus wasserdurchlässigen Kiesen und Sanden bestehen, damit Niederschlagswasser aus dem Lösskörper in die tieferen Bodenschichten gelangen kann. Dies ist für die Wassermengen notwendig, die weder durch Verdunstung, Pflanzenwachstum, oder Speicherung im Lösskörper gebunden werden können.
Besonders kalkreicher Löss wird in den mittleren, westlichen und nördlichen Rekultivierungsgebieten mit mindestens zwei Meter Mächtigkeit (im lössärmeren Altrevier im Südosten mit mindestens einem Meter Mächtigkeit) aufgetragen. So wurde es 1961 im sogenannten Lössabkommen vom Wirtschaftsministerium des Landes NRW festgelegt.
Bis in die 1980er Jahre erfolgte der Lössauftrag im schonenden Spülverfahren, das die Ablagerung des Lösses ohne Druckbelastung ermöglicht. Bei diesem Verfahren entmischen sich jedoch die Kornfraktionen und die Auftragsmächtigkeit ist auf einen Meter beschränkt. Zudem müssen die ebenen Flächen zur Erreichung eines Mindestgefälles für die sichere Oberflächenentwässerung nachträglich in großem Maße umplaniert werden. Die aktuellen Richtlinien der zuständigen Bergbehörde lassen daher heutzutage nur noch die Verkippung von trockenem Löss mittels Absetzer zu. Dabei werden humushaltiges Oberbodenmaterial, karbonatfreier Lösslehm und der mehrere Meter mächtige karbonathaltige Löss verschnitten und zum Aufbau des neuen landwirtschaftlich genutzten Bodens verwendet. Um Verdichtungen des Rekultivierungssubstrats zu vermeiden, werden Planierarbeiten nur bei trockener Witterung und mit besonders bodenschonender Technik durchgeführt.
Luzernebepflanzung
Löss allein ist noch kein voll kulturfähiger Boden. Dazu fehlt der Humus, ein für das Pflanzenwachstum wertvoller Speicher von Nährstoffen und Kleinstlebewesen. Zudem müssen die Bodenfunktionen erst wieder in Kraft gesetzt werden. Dazu werden die neuen Äcker zunächst von RWE Power bewirtschaftet. Die entstandenen Neulandflächen werden zunächst mit Luzerne bepflanzt. Die tief wurzelnde mehrjährige Pionierpflanze bevorzugt die umgelagerten Lössstandorte mit dem günstigen pH-Wert von etwa 7,5 und lockert den Boden mit ihren Pfahlwurzeln tiefgründig auf. Die Pflanze wird drei Jahre als Dauerkultur bewirtschaftet. Dabei geht es nicht darum, gute Ernten einzufahren, sondern den Boden biologisch zu aktivieren. Ihr Aufwuchs wird gehäckselt und verbleibt auf dem Feld, um die Anreicherung von organischer Substanz und damit die Humusbildung zu unterstützen. Daneben sorgt die Luzerne für eine Stabilisierung des Bodengefüges. Als Leguminose sammelt sie durch die Bakterien in ihrem Wurzelraum zudem Luftstickstoff im Boden an – so entstehen ideale Voraussetzungen für die anschließende Einsaat standortgerechter Kulturpflanzen wie beispielsweise Winterweizen, Winterroggen und Wintergerste.
Zwischenbewirtschaftung
Auf die Luzerne folgt überwiegend Wintergetreide in der Zwischenbewirtschaftung. Auf den Anbau von Hackfrüchten, wie Zuckerrüben oder Kartoffeln, wird während der Zwischenbewirtschaftung weitestgehend verzichtet. Sie werden ebenso wie andere Sonderkulturen nur kleinflächig zu Demonstrations- und Forschungszwecken angebaut. Dazu wurden in jüngerer Zeit entsprechend der Forderung nach verstärkter Nutzung von Biomasse als regenerative Energierohstoffe Versuche mit Weichholz-Kurzumtriebsplantagen und verschiedenen Industriepflanzen wie beispielsweise China-Schilf durchgeführt.
Während der gesamten Zwischenbewirtschaftung wird besonders auf bodenschonende Verfahren wie Breitstreifen und schonende Pflugverfahren bis hin zu Direktansaatverfahren geachtet, da die Auftragsböden zunächst druckempfindlicher als Altlandflächen sind. Bei allen Maßnahmen kommt es vor allem auf die Einhaltung der optimalen Bearbeitungszeitpunkte an. Die erreichbaren Erträge liegen auf dem Niveau der natürlich gewachsenen Standorte der Lössgebiete und der Kölner Bucht: Insofern kann die Landwirtschaft als hochertraglich bezeichnet werden.
Stetige Qualitätskontrolle
Die Rekultivierung ist ein Lernprozess, der permanent durch wissenschaftliche Untersuchungen begleitet wird. Die Rekultivierungsqualität wird durch die landwirtschaftliche Produktion und Luftbildinterpretation überwacht. Dadurch können Fehlstellen gut erkannt und behoben werden. Die qualitative Bewertung von Neulandflächen ist von herausragender Bedeutung, um einerseits etwaige Rekultivierungsmängel aufspüren zu können, aber auch für die Verhandlungen mit interessierten Landwirten. Nach Abschluss der mindestens siebenjährigen werkseigenen Bewirtschaftung kann das Neuland an umsiedelnde Landwirte übergeben werden, die dazu eine vollständige Dokumentation der bisherigen Nutzung erhalten.
Übergabe an die Landwirte
Trotz günstiger Ausgangsbedingungen haben die Landwirte in den ersten Jahren der Bewirtschaftung für einen weiteren Humusaufbau der noch jungen Neulandböden einen höheren Düngeaufwand. Über den Verbleib von Ernteresten, aber auch durch gezielte humusbildende Maßnahmen, stellt sich nach und nach ein gewöhnliches biologisches Gleichgewicht ähnlich wie auf Altland ein. Die Landwirte erhalten für ihre höheren Aufwendungen vorab bei Antritt des Neulandes einen finanziellen Ausgleich, die sogenannte Starthilfe.
Zur langfristigen Absicherung der Bewirtschafter haftet RWE Power nach der Übertragung der rekultivierten Flächen für nachträglich auftauchende Mängel wie Mulden, Vernässungen, Verdichtungen oder Steine zehn Jahre lang. Weitere acht Jahre ist RWE Power für die Beseitigung von später auftretenden Mulden verantwortlich. Rechnet man die siebenjährige Zwischenbewirtschaftung hinzu, gewährleistet das Unternehmen insgesamt 25 Jahre die gute Qualität der Böden.
Vielfalt der landwirtschaftlichen Rekultivierung
Die Rekultivierungssubstrate im Rheinischen Revier bilden die Basis für zahlreiche Nutzungen. Neben der klassischen ackerbaulichen Nutzung sind die neu angelegten Flächen u. a. auch Standort für Obstwiesen oder Weiden – meist in Kombination mit Zielen des Natur- und Kulturlandschaftsschutzes. So konnten in der Rekultivierung zahlreiche alte Obstsorten wieder angepflanzt werden. Darüber hinaus sind versuchsweise Anpflanzungen von Gemüse sowie Heil- und Gewürzpflanzen vorgenommen worden und testweise Weinhänge angelegt worden.
Neben der Herstellung landwirtschaftlicher Nutzflächen werden im Rahmen unserer Biodiversitätsstrategie auch ökologisch wertvolle Strukturen wie temporäre Blühstreifen und -felder, Ernteverzichtstreifen und Luzernestreifen angelegt. Zusätzlich werden im Bereich der landwirtschaftlichen Rekultivierung dauerhafte Grünzüge gestaltet, in denen z. B. Steinschüttungen, Totholzhaufen und offene Bodenstellen als Maßnahmen die Artenvielfalt im Offenland fördern.